Künstlerische Entwicklung

Sozialistischer Realismus und Internationalismus (1946 bis 1960)

Von 1946 bis 1953 besuchte Tran Lu Hau die School of Fine Arts in Hanoi. Diese Hochschule wurde vom vietnamesischen Staat als Nachfolge-Institution der von den Franzosen gegründeten Ecole des Beaux Arts d’Indochine (EBAI) aufgebaut; Direktor war Ngoc Van, der zuvor an der EBAI studiert hatte. Die Schule wurde aufgrund des Krieges zeitweise aus Hanoi in die Berge der Region Viet Bac verlegt, dem Sitz der Unabhängigkeitsbewegung.

Hau zählte ab 1946 zu den 20 ausgewählten Studenten eines Meisterkurses mit To Ngoc Van, die später als die „Resistance Class Painters“ in Vietnam bekannt wurden.

Diese Phase und Richtung der Vietnamesischen Kunst war von Nationalismus und Patriotismus geprägt, wobei die Kunst als Mittel der Propaganda und zur "Stärkung der militärischen und zivilen Moral" missbraucht wurde. Sie war allerdings nicht für ganz Vietnam repräsentativ, da große Teile des Landes unter französischer Kontrolle standen bzw. das Land ab 1954 in Norden und Süden geteilt war. Auch Tran Luu Haus Arbeit konzentrierte sich auf patriotische Porträts und Propagandagemälde zur Hebung der Truppenmoral, oder sie war darauf ausgerichtet, die Zivilbevölkerung zur Teilnahme an der Revolution zu bewegen.

Im Jahre 1954, kurz nach der Gründung Nordvietnams, wurde Hau als einer der ersten vietnamesischen Künstler für ein Stipendium an der Surikov School of Fine Arts in Moskau ausgewählt, einer Institution, die als die beste Kunsthochschule der Sowjetunion galt.

Tran Luu Hau “tauchte" in Moskau tief in die dortige Vielfalt der Kunst und Kultur" ein" (Museen, Theater, Ballet und Musik). Er blieb 7 Jahre in Russland und verfeinerte dabei seinen Stil des „Sozialistischen Realismus“; es gelang ihm jedoch, seinen eher nationalistischen Horizont um eine “internationalistische” Komponente zu erweitern. Hier wurde der Grundstein zu seinem späteren, am “Abstrakten Expressionismus” eines Willem de Kooning orientierten Stil gelegt, den er selbst als ein Idol bezeichnet hat.

Rückkehr nach Hanoi als „Meister der Meister“ (1961 bis 1989)

Nach seiner Rückkehr aus Moskau, wurde Tran Luu Hau ein leitendes Mitglied der Fakultät seiner Alma Mater,der Hanoi University of Fine Arts. Er unterrichtete dort die besten Kunststudenten Nordvietnams und später – nach dem Ende des Vietnamkrieges, auch auch Südvietnams. Hau hat über nahezu  drei Jahrenzehnte hinweg als Lehrer und als Mitglied des Exekutivkommittees der Vietnam Fine Arts Association jungen und etablierten Malern Vietnams durch Ausbildung, Ausstellungen oder Unterstützung beim Verkauf ihrer Werke in Vietnam und im Ausland Wege geebnet und ihnen neue Türen geöffnet.

Obwohl er in diesen Jahren eher ein „pflichtbewusster Funktionär“ war, führte Hau seine Karriere in der Malerei in vielfältiger Weise fort: Sowohl die Landschaftsmalerei (bei seinen vielen Aufenthalten in den Bergen) wie auch die Gestaltung von Bühnenbildern und - ausstattungen gehörten in jener Zeit zu seinem Repertoire. 

“Glorreiche Tage der Kreativität” (1990 bis 2014)

Nachdem sich Tran Luu Hau 1990 aus dem aktiven Dienst an der Universität und beim Kunstverband zurückgezogen hatte und nachdem der vietnamesische Staat 1986 eine Liberalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft eingeleitet hatte - die sogenannte "Doi Moi" Bewegung ("Erneuerung") -, lockterten sich auch die Fesseln, die der Kunst durch das kommunistische Regime angelegt worden waren: Die Künstler hatten nun die Möglichkeit, ihre eigenen Themen, Techniken und Ausdrucksformen zu entwickeln. Gleichzeitig kam es zu einer Kommerzialisierung der Kunst - es entstanden zahlreiche Galerien in Hanoiund Ho Chi Minh City, die auch in der internationalen Kunstszene größere Beachtung fanden. Pauline Foo spricht in diesem Zusammenhang von einer "Periode explodierender künstlerischer Kreativität in den 90er Jahren".  

Im Interview mit Pauline Foo, beschreibt Tran Luu Hau seine Arbeit in dieser Zeit folgendermaßen: "Ich arbeitete wie ein Besessener, den ganzen Tag, die ganze Nacht ... zeichnen, malen, zeichnen, malen ... mit furchtbarer Intensität , als ob ich die verlorene Zeit aufholen musste". Und weiter: " Es war wie wiedergeboren zu werden, durch die Malerei die Jugend wiederzuerlangen, die eigenen Möglichkeiten zu erweitern und in alle Themenbereiche tiefer eindringen zu können. Plötzlich wurde mir klar, dass mein Leben und Erleben der größte und beste Lehrer für mich ist.“

Tran Luu Hau meidet jedoch die Themen des Krieges, obwohl diese für sein Leben prägend waren. "Ich muss mich davon losreißen und alltägliche Dinge erforschen, die keinen Bezug zu Feuer, Rauch, Bomben, Geschossen, Tod und Zerstörunghaben". Durch die schrecklichen Erfahrungen des Krieges gewinnen seine Werke jedoch auf indirekte Weise eine meisterhafte Intensität in Farbe, Form, und Ausdruck. Ohne seine persönliche, unmittelbare Erfahrung des Krieges hätte er "keine Inspirationen und Emotionen für seine Landschaftsbilder, Stillleben, Meereslandschaften und vietnamesischen Frauen" gehabt. 

Stilrichtung: Abstraktion der Realität, Abstrakter Expressionismus

Bis zu Tran Luu Haus  Eintritt in den offiziellen Ruhestand im Jahr 1990 hatte der vietnamesische Staat keinen Raum für Kreativität und Experimente mit nationalen oder internationalen Stilrichtungen gelassen. Der „Sozialistische Realismus“ war die dominierende, vorgeschriebene Stilrichtung in der Bildenen Kunst. Gegenüber seinen Kollegen hatte Tran Luu Hau hatte allerdings einen beträchtlichen Vorteil: Aufgrund seines siebenjährigen Studiums in Moskau während der 1950er und 60er Jahre war er - in der poststalinistischen Ära des Surikov Instituts – stärker den internationalen Stilrichtungen ausgesetzt, z.B. dem „Abstrakten Expressionismus“ eines Willem de Kooning, der für Hau ein Idol war.

Während dieser Zeit nach 1990 entwickelte Hau seinen eigenen Stil; dieser ist geprägt durch seine "extreme Leidenschaft für die Grundfarben: Rot, Schwarz, Grün, Weiß und Gelb - die fünf Elemente des farblichen "Ausdrucks" in der östlichen Kultur, wie sie auch in der traditionellen Volksmalerei Vietnams zu erkennen sind." 

Hau fasst seinen Stil folgendrmaßen zusammen: "In meiner Malerei erlebt man die Harmonie endloser Variationen von Farben und Farbmischungen ... das ist mein künstlerischer Stil.”

(Alle Zitate aus "Tan Luu Hau - 2014" einer Biografie von Pauline Foo, Interview im Februar 2014, Seiten 8-19).

Die zeitgenössische Kunst Vietnams am Scheideweg

Für viele Beobachter steht die zeitgenössische Kunst Vietnams heute am Scheideweg. Der zunehmende Druck des Marktes auf die Künstler, immer schneller zu produzieren, führt zur Popularisierung der Kunst und zu einer Unterminierung der Qualität der Malerei. Der zunehmende politische Druck, eine dem Regime gefälligere Kunst zu produzieren gefährdet den offenen künstlerischen Diskurs und damit zugleich die langfristige Entwicklung der vietnamesischen Malerei sowie deren internationale Bedeutung.

In den Worten vonTran Luu Hau: “Die Qualität der Malerei tendiert dazu, sich zu verschlechtern, und es gibt nur wenige Künstler, die willens sind, sich für die ‚echte Kunst‘ aufzuopfern“.

“Ohne Freiheit gibt es keine Kunst”

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